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31.10.2023

Ich denke an dich!

Der Frühtod eines Kindes ist ein Tabu, über das wenig gesprochen wird. Dabei endet fast jede 3. Schwangerschaft­ mit einer Fehlgeburt. Ulrike Kleen von der Schwangerschaftsberatungsstelle der AWO Weser-Ems weiß, wie schmerzha­ft dieser Verlust ist und was bei der Verarbeitung helfen kann.

Das eigene Kind während der Schwangerschaft zu verlieren, stürzt Eltern in eine tiefe Trauer. Oft sind sie mit ihren Gefühlen und Fragen allein. Denn „Freunde und Familie haben das Kind noch nicht kennengelernt. Für sie ist der Verlust nicht sichtbar.“ Dadurch wüssten Angehörige oft nicht, was sie sagen sollten. Oder ließen die Sache sogar kommentarlos stehen, erklärt Ulrike Kleen. „Für den Umgang mit dem frühen Verlust gibt es auch kein Patentrezept“, betont sie. Denn Menschen trauern unterschiedlich. Und das darf auch so sein.

Dass so wenig über Fehl- und Totgeburten gesprochen wird, erschwere die Trauerarbeit: „Es ist wichtig, dass den Betroffenen ihre Gefühle nicht abgesprochen werden.“ Paare sollten sich Zeit geben zu trauern. Und alle Gefühle, die aufkommen, zulassen. Sei es Wut, Trotz oder vielleicht auch Erleichterung. Ulrike Kleen spricht hier von „Gefühle integrieren“. Es gehe darum, diese bewusst wahrzunehmen und zu respektieren. Wenn Scham- oder Schuldgefühle auftauchen, rät Ulrike Kleen: „Es war ein Kind, das nicht bleiben konnte. Mütter sollten weder die Schuld auf sich beziehen noch ihre Mutterrolle in Frage stellen.“

Wer bereit ist, über den Verlust zu sprechen, sollte Menschen informieren, denen er*sie vertraut. Ulrike Kleen betont hier mit Nachdruck: „Eltern dürfen anderen zumuten, mit ihrer Trauer umzugehen!“ Die Fehlgeburt zu verschweigen, weil man das Gespräch den anderen nicht antun wolle – das helfe nicht bei der Verarbeitung. Mit wem man sich austausche, das komme ganz darauf an, was man brauche. Das könne ein*e Freund*in sein oder ein enges Familienmitglied. Aber auch Beratungsstellen oder Online-Portale böten Raum für Gespräche. Hauptsache, man fühle sich sicher und erfahre Wertschätzung für den individuellen Weg.

Im Austausch mit Familie oder Freund*innen gehe es nicht darum, Tipps zu verteilen. Angehörige sollten den Betroffenen nicht ihre eigenen Erwartungen überstülpen: „Der Frühtod eines Kindes ist keine Wunde, die man schnell wegpusten kann und dann geht’s weiter wie gehabt.“ Viel wichtiger sei für die Betroffenen das Gefühl: Jemand denkt an mich. Die Person akzeptiert, wie es mir gerade geht. Ulrike Kleen rät: „Angehörige sollten proaktiv auf Betroffene zugehen und nachfragen, was die betroffene Person braucht.“ Zum Beispiel so: Ich weiß, du bist gerade sehr erschöpft. Passt es dir jetzt für einen Spaziergang? Solch ein abruptes Ende einer Schwangerschaft gehört für immer zu den Eltern. Das bleibt und prägt. Sind die Gefühle gut integriert, kann irgendwann beides nebeneinander laufen: Trauer um das, was verloren ist und der positive Blick in die Zukunft – sei es mit oder ohne weitere Familienplanung.

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Kontakt

AWO Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung
Ulrike Kleen und Agnieszka Salomon